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Stellungnahme zum Haushaltsplanentwurf 2022

Mit Maß und Mitte

Christoph Boll, UWG-Fraktionsvorsitzender
Liebe Kolleginnen und Kollegen des Kreistages,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
geschätzter Landrat Dr. Sommer,
Corona bestimmt nach wie vor weite Teile des öffentlichen Lebens. Wir gehen in den zweiten Pandemie-Winter und ganz viele wissen etwas zu dem Thema zu sagen. Herr Drosten und andere Virologen äußern sich, die Herren Spahn und Lauterbach jederzeit auch. Und natürlich Herr Laumann. Das es dann noch regelmäßig södert und baerbockt ist selbstverständlich, steigert aber den Erkenntnisgewinn auch nicht signifikant. Zuletzt geben reichlich C-Promis ohne jeden Fachverstand ihren Senf dazu. So entsteht eine große Kakophonie, in der mit dem gesellschaftlichen Grundrauschen proportional die Bedeutungsarmut der Äußerungen zunimmt.

Derweil hechelt die große Politik Inzidenzwerten hinterher, die immer neu Höhen erklimmen. Das ist gleichermaßen Trauerspiel wie Offenbarungseid.
Erst wollte man die zweite Welle brechen, dann die dritte, jetzt die vierte. „Die Welle brechen“ ist geradezu zur Beschwörungsformel geworden. Das hat etwas von Naturgewalt, der wir ausgesetzt sind. Überraschend. Gott gegeben. Wer ernsthaft die Welle brechen will, der sollte mal zur Küste fahren und sich mit Schiffsexperten und Fachleuten maritimer Bauwerke unterhalten. Die würden dann schon deutlich machen, dass man Wellenbrecher bauen muss, also aktiv anpacken und sich weniger darum sorgen, welches Partei- oder Regierungsamt man gerne als nächstes hätte. Es bleibt leider festzustellen: 20 Monaten nach dem Beginn der Corona-Pandemie gibt es keinen Plan, keine Strategie, kein Konzept.

Das ist der Rahmen für „die Mühen in unserer Ebene“ wie Erich Loest einen Roman getitelt hat. Diese Mühen, denen sich Verwaltung und Kreistag zu stellen haben, sind Digitalisierung, Begrenzung des Klimawandels, Demografischer Wandel, medizinische und pflegerische Versorgung, leistungsfähige Infrastruktur, stabile wirtschaftliche Strukturen und gute Arbeitsplätze.

Zu den Grundsätzen der UWG für den Kreishaushalt habe ich in den vergangenen Jahren genug gesagt und vor zwölf Monaten auch einiges zu der ritualmäßig immer gleichen bürgermeisterlichen Stellungnahme zum Etatentwurf. Die ist in diesem Jahr noch etwas harscher ausgefallen. Nachdem ein parteiloser Landrat den Kreis führt, glauben offenbar die meisten Bürgermeister, keine parteipolitische Rücksicht mehr nehmen zu müssen. Sie poltern also gemeinsam los wie die Axt im Walde. Nur Substantielles fehlt. Da werden zu hohe Personalausgaben beklagt. Aber welche Aufgaben sollen entfallen? Dazu kommt nichts. Es wird der Abbau von Standards angemahnt – auch im Jugendamtsbereich. Aber welche? Wieder nichts. Und wie sehen die niedrigeren Standards aus? Erneut nichts!

Für die UWG gilt neben dem Verzicht auf ideologiegeprägte Symbolpolitik der Grundsatz, dass alle unsere Entscheidungen im Kreistag getragen sind von dem Gedanken, dass Eigenverantwortung und Gemeinwohl zwei Seiten derselben Medaille sind. Will sagen: Dem Schwachen muss die Gesellschaft helfen, ihm ein menschenwürdiges Leben sicherstellen. Zunächst aber ist jeder für sich selbst verantwortlich. Wir stützen es nicht, wenn jemand sich zurücklehnt und von der Gesellschaft alimentieren lassen möchte.
Und um da kein Missverständnis aufkommen zu lassen: Das gilt auch für Unternehmen.
Der Mindestlohn muss so hoch sein, dass der Eckrentner daraus ein Altersruhegeld deutlich über Sozialhilfe erhält. Unternehmen, die das nicht zahlen können, also nicht wettbewerbsfähig sind, gehören nicht auf den Markt. Dauerhafte gesellschaftliche Subventionierung privater Gewinne gehört beendet.
Das muss der Maßstab sein für die Ansiedlungspolitik von Unternehmen im Kreis Steinfurt.

Wenn in der gegenwärtigen Etatdebatte die vollständige Auflösung der Rücklage gefordert oder diese sogar für überflüssig erklärt wird, kann ich nur den Kopf schütteln. Es ist wohl bereits vergessen, dass wir bereits im vergangenen Jahr mit einer Entnahme von 7,6 Millionen Euro kräftig darauf zurückgegriffen haben. Offenbar verschließen auch einige die Augen davor, dass wir dem FMO inzwischen fast 50 Millionen Euro zugeführt haben, nicht als Darlehen, die obendrein reichlich geflossen sind und von denen niemand weiß, ob wir sie zurückerhalten. Die genannten 50 Millionen dienten der Stärkung des Eigenkapitals und kamen nicht aus dem Haushalt, sondern aus der Beteiligungsgesellschaft. Die Städte und Gemeinden, die dies eigentlich hätten mitfinanzieren müssen, haben also keinen Cent dazu beigetragen.

Die UWG plädiert für Maß und Mitte. Dazu gehört eine kontinuierliche, gleichmäßige und planbare Entwicklung der Kreisumlage ohne große Brüche und Sprünge. Schon deshalb braucht der Kreis eine Ausgleichrücklage. Dies gilt umso mehr als der LWL bereits deutlich gemacht hat, dass die Verbandsumlage ab 2023 kräftig steigen wird. Zu erheblichen Erhöhungen der Kreisumlage, die unsere Städte und Gemeinden kaum verkraften werden, kommt es aber zwangsläufig, wenn wir heute die Rücklage über Gebühr strapazieren.

Wie im Vorjahr ist auch der Etatentwurf für 2022 solide. Er ist gemeindefreundlich, sozial ausgewogen und generationengerecht. Er stellt sich den wesentlichen Zukunftsaufgaben ohne die Forderung nach nachhaltig gesunden Kreisfinanzen zu
verletzten. Nie war mehr Klimaschutz in einem Kreishaushalt. Dennoch gilt es in einigen Punkten gegenzusteuern:
Wir müssen nicht immer neue Wasserköpfe schaffen und bestehende weiter wachsen lassen.
Wir brauchen nicht einen Stab von Mitarbeitern im Integrationszentrum, der nicht Integration leistet, sondern die Integrationsarbeit anderer verwaltet.
Wir müssen in der Wirtschaftsförderung nicht Angebote und Dienstleistungen als Zweit- oder Drittanbieter vorhalten, die andere zudem noch besser erfüllen. Und es ist richtig, dass wir über eine mögliche Zusammenlegung von Amt und WESt reden müssen. Es ist an der Zeit zu prüfen, ob das rechtlich möglich ist und welche Rechtsform dann die richtige ist. Unabhängig davon muss schleunigst mehr Transparenz im Verhältnis der beiden Einrichtungen geschaffen werden.
Wir brauchen auch keine Hängeseilbrücke am Nassen Dreieck, nicht unter touristischen Aspekten und unter dem Gesichtspunkt Umwelt- und Naturschutz schon gar nicht.
Wir müssen den Klimawandel begrenzen und nicht immer neue bunte Faltblätter zu dem Thema produzieren, die – seien wir doch ehrlich – zum größten Teil im Altpapier landen. Bauen wir Photovoltaikanlagen auf unsere Dächer, aber schaffen wir nicht weitere Stellen für Photovoltaik-Berater!

Vor dem skizzierten Hintergrund hat die UWG ihre Haushaltsanträge als tragfähigen Kompromiss gestellt: Mit dem Beibehalten der Kreisumlage auf 27,8 Prozent soll einerseits den Belangen der Städte und Gemeinden Rechnung getragen werden ohne im Vorgriff die Rücklage zu beanspruchen, was ein völlig falsches Signal wäre. Der Zuschuss zur WESt steigt kontinuierlich, obwohl eine Deckelung auf 700.000 Euro vereinbart worden ist. Die Erhöhung für 2022 ist zudem aus dem Etatentwurf nicht nachvollziehbar. Dass im Übrigen der WESt-Haushalt für 2023 bis heute nicht in der Gesellschafterversammlung diskutiert ist, widerspricht einem klaren Beschluss. Das alles stärkt unser Vertrauen nicht gerade.

Zum Kommunalen Integrationszentrum, das längst weit über die vom Land refinanzierten Stellen angewachsen ist, habe ich eben bereits etwas gesagt. Mit der UWG wird es jede weitere Stelle dort nur dann geben, wenn sie ganz wesentlich refinanziert ist und solange die Refinanzierung anhält.

Beim Klimaschutz beginnen wir mit dem 50-Punkte-Handlungsprogramm einen Langstreckenlauf. Da war zum Start für 2022 zunächst die Schaffung von 3,5 Stellen zur Unterstützung der kreisangehörigen Städte und Gemeinden in ihren Klimaschutz-Aktivitäten vorgesehen. Da es derzeit in etlichen Kommunen deutliche Vorbehalte und die Sorge gibt, der Kreis wolle sie bevormunden und ihnen ein Konzept überstülpen, ist eine Reduzierung in diesem Bereich sinnvoll. Da kann durchaus eine spätere Aufstockung folgen. Es ist gleichwohl ein Meilenstein. Denn mehr Klimaschutz in einem Haushalt des Kreises Steinfurt war nie.

Wir brauchen aber auch ein Signal der Kostenreduzierung im Personalbereich. Die UWG hat dazu konkrete Vorschläge gemacht. Wenn die Verwaltung diese im Wesentlichen aufgegriffen hat und darüber hinaus Vorschläge unterbreitet, dann gehen wir diesen Weg mit.
Etwas Selbstkritik in den politischen Reihen wäre übrigens mit Blick auf die eben angesprochenen Mühen und die pandemiebedingt enorme Arbeitsbelastung der Verwaltung durchaus angebracht. Mir erschließt sich bei manchen Anfragen kaum, warum sie überhaupt und noch weniger warum sie jetzt gestellt werden. Ressourcen schonen geht anders. Ich hätte deshalb Verständnis, wenn einige eingereichte Schriftsätze in dem Ordner „Wenn mal wieder Zeit ist“ abgeheftet werden.

Zurück zum Haushalt. Mit einigen geänderten Ansätzen wollen wir bewusst in ein überschaubares Risiko gehen. Das betrifft Positionen, die letztlich nicht direkt beeinflussbar sind. Bei Pflichtaufgaben/-ausgaben etwa wird keinem Betroffenen Geld gekürzt. Es besteht aber berechtigte Hoffnung, nicht zuletzt angesichts einer robusten wirtschaftlichen Lage, dass niedrigere Haushaltsansätze ausreichen. Sollte dies nicht so sein, wäre ein Defizit des Haushalts 2022 gegen die Ausgleichsrücklage zu buchen.

Als einzige Erhöhung einer Haushaltsposition hat die UWG die Aufstockung der Mittel für die Substitution von Bioenergie-Mais durch blühende Wildpflanzen-Mischungen von
derzeit 80.000 auf 150.000 Euro beantragt. Die Verhinderungsvorlage zu dem Erfolgsprojekt ist ein Beispiel für die eben angesprochene Bürokratisierung. Da braucht es keine riesigen Absprachen mit Biologischer Station, Unterer Landschaftsbehörde sowie einem quasi wissenschaftlichen Gutachten. Verflixt, das läuft doch andernorts schon ein Jahrzehnt. Und hier wollen einige neu erfinden, was Werner Kuhn, Saaten Zeller und die Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) längst erledigt haben. Es geht um eine einfache Alternative: Der Landwirt baut Energie-Mais an, den er nach der Ernte in die Biogas-Anlage fährt, oder er baut Blühpflanzen an. Da gibt es keinen Zielkonflikt auf seinem Acker.
Es ist erfreulich, dass auch die Regierungsfraktionen im NRW-Landtag den Wert dieser Maßnahmen erkannt haben und ein eigenes Förderprogramm auflegen wollen. Solange aber weder klar ist, wann es kommt, noch wieviel Geld daraus in den Kreis Steinfurt fließt, müssen wir dem Verein „Nachhaltiger Westen“ Planungssicherheit geben.

Unter diesem Gesichtspunkt der faktischen Wirksamkeit betrachten wir auch den Klimafonds, den wir ausdrücklich erhalten möchten. Aber wir wollen keinen Topf, dessen Inhalt im Laufe des Jahres mit einem halben Dutzend Pressemitteilungen wie Sauerbier angeboten werden musste nach dem Motto „Bitte, bitte, nehmt endlich unser Geld“. Finanzierung der Maßnahmen in der Natur, ja, sofort, und auch gerne noch mehr oder – wie eben bereits gesagt – eine zusätzliche Photovoltaikanlage. Da sind wir sofort dabei.
Aber reine Symbolik, Klientelbedienung und Befriedigung von Mitnahmeeffekten, nein.

Die UWG dankt allen Mitarbeitern der Kreisverwaltung, deren Neuorganisation bereits erste Früchte trägt, für ihren Einsatz in einer schwierigen Zeit. Sie setzen sich zusammen mit dem Kreistag beständig für die Bürger ein. Ein besonderer Dank gilt jenen, die an der Aufstellung des Haushaltsplans beteiligt waren oder uns im politischen Ehrenamt unterstützen.

Die UWG stimmt dem Haushalt zu und wünscht jedem „Bleiben Sie gesund“.

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